Unter dem Motto ‚Für eine Gesellschaft der Vielen – kein Fußbreit dem Faschismus‘
haben wir als Bündnis gegen Rechts Marburg am 24.11. demonstriert. Anlass war eine
intern beworbene Veranstaltung auf dem Haus der Burschenschaft Germania mit dem
Titel ‚Junges Europa‘, auf der einschlägige Akteure der extremen Rechten referierten.
Besonderes Anliegen des Bündnisses war, den Netzwerkcharakter der Veranstaltung
offenzulegen. Die bunte Mischung der Demo-Teilnehmer_innen sowie der Redebeiträge
machte klar, dass die DB Burschenschaften Germania, Rheinfranken und Normannia-
Leipzig als maßgebliche Architekten und Akteure innerhalb des Rechtsrucks ein
gesamtgesellschaftliches Problem darstellen. Trotz der knappen Mobilisierungszeit
folgten rund 600 Menschen unserem Aufruf. Ein entschlossenes Zeichen gegen die
faschistoiden Verstrickungen in der Lutherstraße!
Weder das Novemberwetter, noch vereinzelte Provokationen seitens der Faschos konnten
uns daran hindern. Während Heinrich Mahling, Marburger Germane und Aushängeschild
der Identitären ‚Bewegung‘ in Hessen, vorgeschoben den Gegenprotest beobachten
musste, flüchtete sich ein Großteil der Besucher*innen der Burschi-Veranstaltung in den
steilen Hintereingang des Germanenhauses am Gisonenweg. Schnell wurde deutlich, was
sich hinter dem Label dieser sich als „Neu“ bezeichnenden Rechten versteckt. Neben
Aktivist_innen der Identitären Bewegung, der AfD sowie Verbindungsstudenten waren
auch Gäste der neonazistischen Kleinstpartei Der III. Weg und der NPD-
Jugendorganisation Junge Nationalisten zu Besuch. Sie alle teilen neben reaktionärer,
faschistoider Ideologie die Bestrebungen, sich einen modern wirkenden Anstrich zu
verpassen. Daraus ergibt sich auch die Schnittstelle für den Vortrag Alain de Benoists.
Einem ehemaligen französischen Rechtsterroristen sowie „Vordenker“ der Neuen
Rechten.
Rassistisch, sexistisch, ekelhaft! - Das ist die Deutsche Burschenschaft!
Es bleibt im Nachhinein zu betonen, dass die große Rolle, die Burschenschaften in
diesem extrem rechten Netzwerk spielen, auch weiterhin Bestand hat. Die Veranstaltung
beweist eindrücklich, dass sie dem Netzwerk der neuen und extremen Rechten nicht nur
räumliche und finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, sondern auch personell eng mit ihmverwoben sind. Bereits in unserem Aufruf haben wir festgestellt: Die Germania ist dabei
nicht nur irgendeine Burschenschaft, sondern nahm in den letzten Jahre eine zentrale
Rolle an der Spitze des Misthaufens ein. Ihre Verflechtungen in die sog. Identitäre
„Bewegung“, Kontakte und Überschneidungen mit rechten Think-Tanks, wie dem Institut
für Staatspolitik oder dem Antaios Verlag und nicht zuletzt die Verstrickung innerhalb des
völkischen Flügels der AfD sowie der Jugendorganisation Junge Alternative wurden und
werden durch zahlreiche antifaschistische Recherchen mehrfach belegt. Aktive und
ehemalige Mitglieder der Germania Marburg agieren dabei als Schlüsselfiguren, die sich
durch ihre Seilschaften als Netzwerker, Pressesprecher und Erfüllungsgehilfen
nazistischer Politik anbiedern. Dabei schrecken die Burschenschafter auch nicht vor
Gewalt zurück – sie ist den Burschenschaften und ihren reaktionären Ritualen genauso
inhärent, wie ihr Antifeminismus und ihr völkisches Denken. Kurz: Die Germania Marburg
hat kein Nazi-Problem, sondern ist ein Nazi-Problem.
Schlechtes Wetter, harte Zeiten...
Es ist unsere zivilgesellschaftliche Pflicht, dass diese Burschen nicht ungehindert auf
ihren Häusern den gesellschaftlichen Rechtsruck vorantreiben können. Umso wichtiger ist
es, sich diesen extrem rechten Akteur*innen entgegen zu stellen. Entschlossen
positionieren wir uns gegen alle Menschenfeinde, die momentan unter dem Deckmantel
einer Neuen Rechten, einer Identitären Bewegung oder einer Alternative für Deutschland
ihr braunes Netzwerk voran spinnen. In jüngerer Vergangenheit konnte man vermehrt
beobachten, wie die gleichen Akteur*innen aus der Lutherstraße die Grenzen des Sag-
und Fühlbaren im Stadtbild ausreizen und verschieben wollen. In Marburg darf es keinen
Rückzugsort geben für diskriminierendes, reaktionäres und faschistoides Gedankengut!
Als breites Bündnis setzen wir uns auch zukünftig für eine freie und plurale Gesellschaft
ein und freuen uns über Menschen, die sich daran beteiligen möchten. Nicht vergessen
möchten wir dabei die Solidarität mit den vielfältigen emanzipatorischen Gruppen und
Einzelpersonen, die sich Tag für Tag dafür einsetzen! Und sei es nur, um uns im
Nieselregen mit Kürbissuppe und Tee zu versorgen.
... gegen den Faschismus fighten!
Bündnis gegen Rechts Marburg.
Zum Weiterlesen...
Kollektiv gegen Verbindungen: Verbindungen kappen - Eine kritische Betrachtung
Marburger Verbindungen, Marburg an der Lahn, AStA Marburg, 2018.
Stadt, Land, Volk: Kampagne zur Aufdeckung und Bekämpfung (neu-)rechter Netzwerke:
Netzwerke aufdecken! Den (neu-) rechten Bewegungen den Aufwind nehmen!, stadtlandvolk.noblogs.org, Datum des Aufrufs 06.08.18
Katzenmaier, Koelges, Mißbach, Zetterstetten: Autoritär, Elitär, Raktionär - Reader zur
Verbindungskritik, zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Frankfurt am Main, AStA
FFM, 2017.
Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (Hg.): Burschenschaften
und Studentenverbindungen - Eine Handreichung zu Struktur, Inhalten, Geschichte und
Hintergründen, dritte, aktualisierte Auflage, Berlin, 2017.
Kronauer, Krebs: Studentenverbindungen in Deutschland, Münster, Unrast Verlag, 2010.
Peters: Elite sein. Wie und für welche Gesellschaft sozialisiert eine studentische
Verbindung?, Marburg, Tectum, 2004.
Heither, Gehler, Kurth, Schäfer: Blut und Paukenden - Eine Geschichte der
Burschenschaften, Frankfurt (Main), Fischer Taschenbuch Verlag, 1997.
Heither, Schulze: Die Morde von Mechterstädt 1920 - Zur Geschichte rechtsradikaler
Gewalt in Deutschland, Berlin, Metropol Verlag, 2015.
Weidinger,“...in order to keep German soil German“: Austrian Burschenschaften,
Nationalist Ehtno-Politics and the South Tirol Conflict after 1945, in: Cohen, Judson:
Austrian History Yearbook XLV, 2014, S213-230.
Reimann: Avantgarde des Faschismus: Studentenschaft und schlagende Verbindungen
an der Universität Gießen 1918-1937, Frankfurt, 2007.