Wohnberechtigungsschein für internationale Studierende in Hessen

Offener Brief von Initiative von internationalen Studierenden

Sehr geehrter Herr Staatsminister Mansoori,

der Wohnberechtigungsschein (WBS) ist Voraussetzung für die Anmietung einer öffentlich geförderten Wohnung (§ 5 WoBindG). Der WBS berechtigt nicht zum Bezug einer Sozialwohnung, ist aber Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrages.

Nach Auskunft des Deutschen Studierendenwerks haben alle internationalen Studierenden, die eine Aufenthaltserlaubnis für einen gesamten Studiengang besitzen, Anspruch auf den Wohnberechtigungsschein (1). Nach unserer Kenntnis ist Hessen das einzige Bundesland, in dem internationale Studierende keinen Anspruch auf einen WBS haben. Das Wirtschaftsministerium begründete dies bisher mit landesspezifischen Gesetzen, nämlich dem Hessischen Wohnraumförderungsgesetz, das solche Entscheidungen ermögliche. Um die Situation zu klären, haben wir mehrere Rechtsexpert:innen gebeten, die Argumentation in den Ablehnungsbescheiden zu bewerten. Eine besonders klärende juristische Stellungnahme von Frau Prof. Dr. jur. Dorothee Frings, Professorin für Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialrecht, Rechtsberaterin des Deutschen Studentenwerks (2) und Autorin der Handreichung “Aufenthalts- und Sozialrecht für internationale Studierende”, liegt diesem Schreiben bei. Die Stellungnahme stellt klar, dass der Verweis auf den Unterschied zwischen Bundesgesetz (WoFG) und Hessischem Landesgesetz (HWoFG) nicht ausreicht, um internationalen Studierenden den Zugang zum öffentlich geförderten Wohnungsmarkt zu verwehren. Aus der Stellungnahme wird auch deutlich, dass die Rechtslage in Hessen so, wie sie ist, ausländischen Studierenden bei der Anmietung von öffentlich gefördertem Wohnraum nicht entgegensteht.

Das Ministerium argumentiert, dass internationale Studierende, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)(1) besitzen, sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, da ihr Aufenthalt ausschließlich zu Studienzwecken und zeitlich befristet ist. Jedoch können internationale Studierende nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitssuche oder zur Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung beantragen (§ 18b AufenthG(2)). Diese Möglichkeit sollte in der Beurteilung des „vorübergehenden“ Charakters ihres Aufenthalts berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind internationale Studierende verpflichtet, ein bestimmtes Einkommen bei der Ausländerbehörde nachzuweisen, um eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten. Der Wohnberechtigungsschein soll aber aufenthaltsrechtlich unproblematisch sein, da “dadurch keine öffentlichen Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen werden” (3).

Laut einer Studie der Bundesagentur für Arbeit ist der Fachkräftemangel in der Bundesrepublik auf einem Höchststand (4). In Hessen blieben bereits 2022 um die 82.000 Stellen unbesetzt, bis 2028 gehen Prognosen sogar von etwa 178.000 unbesetzten Stellen aus (5). So steht auch im derzeitigen Koalitionsvertrag: “Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels liegt es im Interesse unserer Gesellschaft, mehr internationale Studierende und Promovierende nach Hessen zu holen und erfolgreich zum Abschluss zu führen.” (6)

Aufgrund des Konflikts zwischen dem Bundesgesetz und der bisherigen Auslegung des Landes Hessen entsteht eine große Unsicherheit bei zukünftigen Fachkräften. Um Rechtssicherheit für ausländische Studierende zu schaffen, ist eine Evaluation der bisherigen Handhabe und eine Anpassung der Verwaltungsvorschrift notwendig.

Der Wohnungsmarkt in Hessen ist angespannt, besonders in den Metropolen wie Frankfurt oder Darmstadt, aber auch in kleineren hessischen Universitätsstädten, wie Fulda, Gießen oder Marburg gibt es einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum (7). In Marburg zum Beispiel kommt es nahe zu Beginn eines jeden Semesters zum Notstand, was bedeutet, dass Studierende für Wochen bis hin zu mehreren Monaten in die Wohnungslosigkeit geraten.

Dabei sind vor allem internationale Studierende betroffen, die über weniger soziale Kontakte sowie häufig auch weniger Geld verfügen und zudem oftmals auf dem privaten Wohnungsmarkt Diskriminierung erleben (8). Diesem Zustand konnte in den letzten Jahren nur unter gemeinsamer Kraftanstrengung der Stadt, der Universität, des Studierendenwerks sowie des AStA Einhalt geboten werden, indem über mehrere Monate Notunterkünfte angeboten wurden (9). Auch hier wollen wir nochmal Bezug zum Koalitionsvertrag nehmen: “Wir wollen, dass jede und jeder in Hessen die Chance hat, in der Nähe seines Arbeitsplatzes, seiner Freundinnen und Freunde und Familie zu wohnen. [...] Bezahlbares Wohnen darf keine soziale Frage sein.” (10)

In diesem Sinne sehen wir keinen Grund für die Ablehnung der Anträge von ausländischen Studierenden für den Wohnberechtigungsschein in Hessen. Erforderlich ist keine Gesetzesänderung, sondern eine korrekte Auslegung. Nach unserer Kenntnis ist Hessen eines von 16 Bundesländern, das der gängigen Auslegung nicht folgt. Der Hessische Erlass zur Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen sollte so ausgelegt werden, dass internationale Studierende, die eine Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr besitzen und eine längerfristige Bleibeperspektive nach dem Studium haben, einen Wohnberechtigungsschein beantragen dürfen. Wir appellieren an die zuständigen Behörden, insbesondere an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, diese Regelung im Sinne der Studierenden anzuwenden und damit einen wichtigen Beitrag zur Integration und zum Erhalt qualifizierter Fachkräfte zu leisten.

(1) Frings, D., Aufenthalts- und Sozialrecht für internationale Studierende, Handreichung für Beratende, 2020, Deutsches Studentenwerk, S. 85.
(2) Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) ist der freiwillige Zusammenschluss der 57 Studenten- und- Studierendenwerke in der BRD.
(3) Frings, D., Aufenthalts- und Sozialrecht für internationale Studierende, Handreichung für Beratende, 2020, Deutsches Studentenwerk, S. 84.
(4) doku.iab.de/forschungsbericht/2023/fb1523.pdf (Abgerufen am 26.05.2024)
(5) www.hessenschau.de/wirtschaft/82000-unbesetzte-stellen-fachkraeftemangel-in-hessen-auf-rekordhoch-v1,fachkraefte-mangel-hessen-jobs-100.html (Abgerufen am 26.05.2024)
(6) hessen.de/sites/hessen.hessen.de/files/2024-01/koalitionsvertrag_fuer_die_21._legislaturperiode.pdf (S.26 im Dokument, abgerufen am 27.05.2024)
(7) 2992574.html (Abgerufen am 27.05.2024)
(8) www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Umfragen/umfrage_rass_diskr_auf_dem_wohnungsmarkt.pdf (Abgerufen am 28.05.2024)
(9) www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/marburg/studieren-in-marburg-viele-studenten-finden-keine-wohnung-ZL7GHX3B7RAHJKU3CEMM5LPKRQ.html (Abgerufen am 27.05.2024)
(10) hessen.de/sites/hessen.hessen.de/files/2024-01/koalitionsvertrag_fuer_die_21._legislaturperiode.pdf (S.4 im Dokument, abgerufen am 27.05.2024)

Zurück zur letzten Seite