Postkoloniale Homophobie

Vortrag und Diskussion zu Abwehrreaktionen und Identitätspolitik im Vergleich Tschetschenien und Ghana

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Referent: Dr. Felix Riedel
Di 12.02.2019 - 18:00 Uhr ct. - Raum 00/0020 , EG HSG Biegenstr. 14, Marburg

Im April 2017 richtete Tschetscheniens Regierung mehrere Lager ein, in denen Homosexuelle gefoltert und getötet wurden. 2019 wurden erneut Verhaftungen und Morde gemeldet. Dass sich die autokratische Gewalt des Despoten Kadyrow gegen Homosexuelle richtet, ist nicht allein aus der tschetschenischen Kultur zu erklären. Homophobie wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten systematisch zu einer Ideologie für postkoloniale Staaten aufgebaut. So gedeiht ausgerechnet in Ghana, dem demokratischen Musterland Afrikas, eine aggressive Homophobie, die sich in Gewalt von Jugendorganisationen und staatlich organisierter Verfolgung artikuliert.

Die homophobe Propaganda inszeniert die Konfrontation zwischen Zentrum und Peripherie der globalen Ökonomie. Homophobie wird zur traditionellen Kultur erklärt und Homosexualität als Importprodukt dämonisiert.nDie Homosexualität sei eine Waffe des weißen Westens, um die muslimischen und afrikanischen Gesellschaften auszulöschen. So wird in der homophoben Propaganda aus der privaten Praxis der Homosexualität ein genozidales Projekt, das radikalen Widerstand und Reinigung erfordert. Den Tätern fehlt daher jedes Unrechtsbewusstsein, sobald Homosexuelle als fremde und abstrakte Bedrohung markiert sind. In der Verfolgung wird die homophobe Praxis zwangsläufig pervers: Sie legitimiert den sadistischen homosexuellen Akt, sofern er zur Folter und Bestrafung der Homosexuellen ausgeübt wird. Dieser Sadismus löst den Widerspruch in der Homophobie, die von Sexualneid nicht abtrennbar ist. Die Widersprüche der Modernisierung werden in der Homophobie "gelöst", die Widersprüche der Homophobie in der sadistischen Verfolgung.


Das hat Konsequenzen für den Kampf gegen Homophobie und die internationale Solidarität mit den Verfolgten. Ökonomische Erpressung ersetzt den westlichen Akteuren bislang breite Aufklärung über Homosexualität und Homophobie. Die konkreten Homosexuellen werden meist im Stich gelassen. Eine bessere Solidarität, eine gezielte Förderung bestimmter Aktivisten, ausformulierte Argumente für die Anerkennung der Homosexualität sind nötig, um Homosexuelle zu schützen und Homophobie zu bekämpfen.

Der Ethnologe Dr. Felix Riedel wird die Homophobie in Tschetschenien und Ghana in ein Verhältnis stellen und mit Thesen zur Psychologie postmoderner Homophobie zur Publikumsdiskussion strategischer Fragen der Solidarität überleiten.


Die Vortragsveranstaltung wird vom AStA Marburg – Referat für Homosexualität, Kultur und Wissenschaft (HoKuWi) und Tuntonia e.V. - gemeinnütziger Verein für homosexuelle Kultur und Emanzipation veranstaltet.

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