Zur Rücknahme des Lehrauftrags von Bahar Aslan an der Hochschule für Polizei und Verwaltung NRW nehmen die bundesweite Studierendenvertretung, freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs), und die nordrheinwestfälische Studierendenvertretung, LandesAstenTreffen NRW (LAT NRW), Stellung. Gemeinsam fordern wir die sofortige Umkehrung der Entscheidung Bahar Aslan von ihrem Lehrauftrag zu entbinden, sowie eine ernsthafte Auseinandersetzung in Forschung und Lehre mit rassistischen und rechts-autoritären Strukturen in der Polizei, anstelle einer Verhinderung von Kritik. Jonathan Dreusch, fzs- Referent für gute Lehre und Arbeitsbedingungen an Hochschulen, erklärt: „Der Fall Bahar Aslan ist ein gravierender Angriff auf die akademische Freiheit, insbesondere die Freiheit der Lehre. Wenn eine Lehrbeauftragte wegen subjektiver und in keiner Weise beleidigenden Äußerungen die schon zugesicherte Verlängerung des Lehrauftrags so schnell verliert, gibt es für die Mehrheit aller Lehrenden an der HSPV-NRW de facto keine Lehrfreiheit. Das ist ein Alarmsignal für die akademische Freiheit aller nicht-professoralen Beschäftigten an deutschen Hochschulen. Aussagen aus Politik, Hochschule und GdP befeuern zudem eine Flut von Hassnachrichten gegen Bahar Aslan. Das ist vollkommen inakzeptabel - Politik und Hochschule müssen sich stattdessen vor Aslan stellen!" Debora Eller, fzs-Referentin für Antifaschismus, Antirassismus und Emanzipation, sagt hierzu: "In Deutschland werden 90% der Strafverfahren zu Verdachtsfällen auf rechtswidrige Polizeigewalt grundlos eingestellt, während gleichzeitig versucht wird, Kritik an offensichtlich schieflaufenden Strukturen der Polizei zu verhindern, wie es mit Bahar Aslan geschah. Gerechtfertigtes Misstrauen gegenüber Sicherheitsbehörden wird abgestraft statt ernstgenommen. Dieses Vorgehen verstärkt den Eindruck, dass die Polizei unwillig ist, bei sich aufzuräumen. Die Polizei als Stelle des Gewaltmonopols ist nach wie vor attraktiv für Menschen, die autoritären Strukturen und extrem rechten Gedankengut nahestehen. Das muss umfassend aufgedeckt und dagegen vorgegangen werden. Es braucht mehr unabhängige kritische Forschung an Polizeihochschulen und über die Polizei wie das DFG-geförderte Projekt KviAPol." Ken Alan Berkpinar, Koordinator des LAT NRW, ergänzt: "Eine kritische Lehrende wie Bahar Aslan einfach so rauszuschmeissen ist für uns ein gefährliches Signal. Lehrende in Nordrhein-Westfalen müssen sich darauf verlassen können, dass staatliche Stellen ihre Lehrfreiheit verteidigen und derartige Entscheidungen nur nach genauer Prüfung vorgenommen werden. Der Fall zeigt auch, dass der hohe Anteil an Lehrbeauftragten ohne feste Stelle eine Gefahr für eigenständige Lehre ist. Als Studierende wollen und brauchen wir ein breites und kritisches Lehrangebot und Lehrende, die dieses gewährleisten." Hintergrund: Bahar Aslan hatte seit 2022 einen Lehrauftrag für interkulturelle Kompetenz an der Polizei-Hochschule Gelsenkirchen - bis diese sie bis auf Weiteres entließ. Der Grund hierfür ist ein Tweet, in dem sie rechte Polizeipraktiken kritisiert. So schilderte sie: „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land." Die Hochschule sah Aslan daher als unfähig an „Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln". Dabei spricht Aslan strukturelle Probleme innerhalb der deutschen Polizei an: Tote infolge von Gewalt durch die Polizei, Gruppenchats mit rechtsradikalen Inhalten und Racial Profiling sind unhaltbare Zustände, gegen die nicht oder unzureichend vorgegangen wird. Dass eine Dozentin wie Aslan diese Verhältnisse kritisiert, ist für uns nicht nur auf persönlicher Ebene nachvollziehbar, sondern auch als Teil kritischer Wissenschaft legitim. Im Jahr 2021 waren von 1048 wissenschaftlichen Beschäftigten an der HSPV-NRW 700 nebenberuflich beschäftigt, in dieser Gruppe befinden sich Lehrbeauftragte, wissenschaftliche Hilfskräfte, sowie Gast- und Honorarprofessuren. Dagegen waren nur 348 Personen hauptberuflich angestellt, davon nur 159 Professor*innen (laut Statistischem Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.4, 2021, S. 85).
Quellen:
https://kviapol.uni-frankfurt.de/images/pdf/Zusammenfassung%20Gewalt%20im%20Amt.pdf